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Allgemeines historisches Verzeichniß gelehrter Frauenzimmer
MayrMünchen1761CERL
http://thesaurus.cerl.org/record/cnp00612165
Cherchez la femme. Frauenspezifische Nachschlagewerke vor 1918.
http://www.onb.ac.at/ariadne/projekte/femme/werk_peter.html
"Einen Vorbericht einem Buch vorzusetzen, scheinet mir in unseren Zeiten so gewöhnlich als nothwendig zu seyn, und ich glaube: daß ich besonders Ursache habe, da ich den Gelehrten ein allgemeines historisches Verzeichniß solcher Frauenzimmer, die sich durch verschiedene Wissenschaften in der Welt unsterblich gemacht, vor Augen lege; indem ein dergleichen Sammlung mit undenklichen Schwierigkeiten verknüpfet ist.
Diese Schwierigkeiten werden zwar in etwas gehoben, wenn ich überlege, daß wir von den allgemeinen Geschichten der Welt behaupten, daß sie uns eben so sehr zum Nutzen gereichen, als sie unsere Neugierde Vergnügen; daß sie unser Herz und unseren Verstand eben so stark besseren als sie unseren Witz schärfenb und unser Gedächtniß belustigen. Dahero zweifle ich ganz und gar nicht, daß man dieses von den Geschichteu einzeler Personen, die im Felde der Wissenschaften mit vielem Ruhme gearbeitet, gleichfalls mit Grunde behaupten könne, und wenn sie auch noch so wenig mit den Geschichten der Welt zusammen zu hängen scheinen sollten.
Meine Absicht aber ist nicht nur sammentliche gelehrte Frauenzimmer, welche bishero in verschiedenen Büchern zerstreiter zu finden waren, in eine einzelne Sammlung zu bringen; sondern auch das junge Frauenzimmer zur Nacheiferung auf das nachdrücklichste zu erwecken, und dasselbe auf jenen Ehrenweg zu führen, auf welchem schon so viele aus ihrem Geschlechte mit unsterblichen Verdiensten gewandert sind.
Es möchte zwar das Ansehen gewinnen: als wenn ich mich für einen Lobredner des schönen Geschlechtes aufzuwerfen verlangte. Nein! denn ich suche nur die abgeschmackte Vorurtheile der capellanischen* Secte auszumerzen, welche nämlich das weibliche Geschlecht für uneigentlich und unfähig zu Erlernung der Wissenschaften haltet.
Daß aber diesem Geschlechte nicht nur die Kunst über die Herzen zu gebiethen eigen sey, sondern auch, daß das selbe ein Recht zur Gelahrheit habe, folgsam demselben der Weg zu den Wissenschaften nicht verleget sey, ist ein Satz: welcher durch eine gesunde Vernunft und viele Beweisthümer bestättiget wird. Denn solange die gütige Hand der Natur nicht ermüdet auch dem weiblichen Geschlechte dazu hinlängliche Gaben auszutheilen, und die Vorsehung des Himmels nicht aufhöret, demselben günstige Umstände zur Erziehung in allen Theilen der Gelehrsamkeit zu schenken, so lange wird es ein unwiderlegliche Wahrheit bleiben, daß ein mit diesen Vortheilen beglücktes Frauenzimmer nicht unbescheiden handlet, wenn es sich in dem öffnen Felde der Gelahrheit umsiehet, und zumal den schönen Wissenschaften ergiebet. Dadurch werden die Vorzüge, welche die Gesetze dem weiblichen Geschlechte gegeben, um ein grösseres erhoben, und in einen viel helleren Glanz gesetzet.
Villeicht wird man nicht sonderlich irren, wenn man behauptet, daß die Frauenzimmer vor den Männern etwas empfangen haben, daß ihnen einen feinen Geschmack, eine wohlgebildete Vorstellung und eine lebhafte Scharfsinnigkeit darreichet,sich in den edelen Wissenschaften besonders hervorzuthuen. Denn ohne einen hinlänglichen Vorrath dieser Eigenschaften wäre es nicht möglich gewesenz, daß sich zu allen Zeiten unter dem schönen Geschlechte Personen gezeiget hätten, welche es in allen Theilen der Wissenschaften den Männern wo nicht bevor, doch gleich gethan haben. Ob aber gleich die ernstliche Wissenschaften zu strenge scheinen, als daß sie sich dem Frauenzimmern überlassen sollten, auch der Beyspiele davon nicht so viel als von jenen angeführet werden dürften, so kann doch auch dieses ihnen das Recht nicht absprechen, sich an diese Heiligthümer zu wagen.
Das Vorurtheil der Erziehung ist es! das gemeiniglich die Frauenzimmer von dergleichen Uebungen abhält, folgsam nicht ein natürliches Unvermögen schuld daran ist, daß man nicht so viele Werke der Scharfsinnigkeit von diesem Geschlechte aufzuweisen hat. Und zudeme mangelt es doch an solchen Beweisthümern nicht, welche erproben, daß sie es in solchen Wissenschaften, welche ihrem Stande zuwider scheinen, hoch gebracht haben.
Gegenwärtiges allgemeines historisches Verzeichniß gelehrter Frauenzimmer ist als ein unstreitiges Merkmaal anzusehen, daß die Frauenzimmer weder die unumgängliche Schwierigkeiten einer mühsamen Kritik, noch die Tiefsinnigkeit einer mathematischen Rechnung, noch das Alterthum der Historie, noch die Weitläuftigkeit der Rechte und die Verschiedenheit der Sprachen hat abschröcken können, denselben Geheimnissen nachzuforschen. Ja was noch mehr ist! selbst die strenge Weltweißheit hat sich von eißgrauen Zeiten her nicht geschämet, Frauenzimmer in ihre Schulen aufzunehmen. Die Chaldäer, Perser, Indianer, Aegypter, Celten und andere ungriechische Völker trugen kein Bedenken denselben unter ihren Weisen eine Stelle zu gönnen; und das mit so vieler Freyheit des Herzens und Schärfe des Verstandes philosophirende Griechenland war so wenig gegen dieselbe mißgünstig.
Der Sappso Ruhm ist noch unverwelket, und es muß dem weiblichen Geschlechte zur Ehre gereichen, das Socrates die Weltweißheit und Perikles die Beredsamkeit von der Aspasia gelernet; und Plato in seiner Akedemie viele Frauenzimmer unter seinen Zuhörern gezählet habe. Arete brachte ihrem Vater Aristippus eben so viel Ruhm, als seine Schriften, daß sie demselben auf dem Lehrstuhle gefolget; und Pythagoras würde seine Schule nicht haben fortpflanzen können, wenn nicht Theano und ihre Schwestern alle dessen Geheimnisse begriffen hätten. Hipparchia trotzte die Standhaftigkeit des thebanischen Crates; und Epicurus sahe mit Vergnügen eine Leontium, Themista und Philävis in seinem Garten die Lehren der Weltweißheit zu erforschen; und selbft die so dunkle orienialische Philosophie zählte eine Sosipatra unter ihre vornehmste Vorsteher.
So wild es auch in den barbarischen Zeiten des mittleren Alters aussah, so fand man doch einen Mangold, dessen Frau und Töchter die Weltweißheit und übrigen ernstlichen Wissenschaften bey grossem Zulaufe lehrten. Es wurde demnach unseren mit so vieler Klarheit des Verstandes erlauchteten Zeiten eine Schande seyn, wenn sie von den Alten hierinnen übertroffen würden. Allein! daß dem menschlichen Geschlechte nach den hergestellten Wissenschaften aufgegangene Licht ist so eindringend und allgemein gewesen, daß das Frauenzimmer nicht ohne Aufheiterung ihres Verstandes durch die Weltweißheit bleiben können. Denn schon im XVten und XVIten Jahrhunderte fanden die Gelehrten eine heilige Catharina von Bononien, eine Baptista Fürstinn von Pesaro; ingleichen eine Magaretha von Valois, eine Anna Bacon, eineTarquina Molza und andere mehr. Dergleichen Beyspiele aus den XVIIten Jahrhunderte anzuführen leidet der gegenwärtige Raum und Vorhaben nicht, sondern man darf sich nur einer Anna Dacier, einer Anna Maria Schurmännin; und daß Cartes eine Königinn Elisabeth, und Königinn Christina in Schweden zur Schülerinnen seiner Philosophie gehabt habe, wenn man hievon durch grosse Beyspiele überzeugt seyn will.
Unserer gegenwärtigen Zeit, die in so vielen Wissenschaften ein größeres Licht bekommen hat, mangelt es unter dem schönen Geschlechte an folchen Personen ebenfalls nicht. Denn ihr Geschmack ist so ernstlich worden, daß man für nöthig erachtet hat des grosen Newtons tiefsinnige Naturlehre so vorzutragen, daß sie dem Frauenzimmer veständlich seyn möge; und unsere grosse deutsche Philosophen der Freyherr von Leibnitz und Freyherr von Wolf haben eben dergleichen Ehre gehabt. Dergleichen merckwürdige Beispiele aber kann unsere Zeit dem Ruhme aller Jahrhunderten nicht besser und billiger entgegen setzen, als wenn wir eine Durchlauchtigste Churprinzeßinn in Sachfen Maria Antonia Walpurgis, eine Marquisinn du Chatellet, die drey Gelehrten Frauenzimmer Gottsched, Bassi und Tagliazucchi, auch noch mehr andere, welche dieses Verzeichniß darstellet, nach ihren unsterblichen Verdiensten ansehen.
Es ist wahr, daß man eben so gar viele Beyspiele von gelehrten Frauenzimmern nicht aufweisen kann, welche der grossen Menge der gelehrten Männer an der Zahl gleich kämme: es ist aber auch nicht zu läugnen, daß die Verfassung der menschlichen Gesellschaft dieselbige zu was anders beruffe. Gleichwie aber dieses seinen billigen Ausnahm leidet, wenn der Hauptendzweck, den das weibliche Geschlecht wohl vor Augen haben sollte, durch Abwartung der Wissenschaften kein Abbruch geschiehet; dessen ungeachtet ist die Zahl der gelehrten Frauenzimmer doch so geringe nicht, daß sie nicht eine merkwürdige Stelle in der gelehrten Historie finden sollte.
Obwohlen man aber von den Ferienzimmern den Fleiß und Bemühung um die Wissenschaften nicht als eine Schuldigkeit fodern kann, so ist es doch der Billigkeit gemäß, daß man solche seltene Exempel der Nachwelt zur Bewunderung und Nachahmung aufzeichnet, und ihnen ihr gebührendes Lob beyleget. Wenigstens hat man diesen Theil der gelehrten Historie als einen Zierrath an zusehen, womit derselbige zum Vergnügen dienen kann. Und das sind die Bewegungsgründe, warum man diese Sammlung unternommen hat.
Sollten sich aber Leute finden, welche mir den modesüchtigen Einwurf machen werden, daß diese Sammlung wohl seine Nützlichkeit hätte, wenn es nur nicht in deutscher, sonderen in französischer oder anderer Sprache abgefasset wäre: so müssen sie sich gewiß niemals die Mühe genommen haben, sich die Schönheit und den grossen Umfang ihrer Muttersprache ausführlich vorzustellen; denn man muß also von der Armuth der deutschen Sprache nach dem kleinen Vorrathe seines Gedächtnisses keine verwägene Urtheile fällen. Dieses thun viele, die mehr ausländische als deutsche Bücher gelesen haben, wann sie manchmal kein einheimisches Wort finden können, dieses oder jenes auszudrücken.
Endlich ist noch zu erinneren, daß in dieser Sammlung nicht nur Verstorbener, sonderen auch noch Lebender gelehrter Frauenzimmer erwähnet wird. Es ist wahr, man wird freylich noch hier und da gelehrte Franenzimmer entdecken, welche ich nicht nach aller angewendeter Mühe in Erfahrung habe bringen können, weil öfters der Ruhm grosser Geister alsdenn bekannt wird, wenn sie zu leben aufgehöret. Werden sich aber solche Freunde hervorthuen, die noch ein und andere Nachricht von noch lebenden gelehrten Frauenzimmern zu dieser historischen Verzeichniß ertheilen könnten, so wird ich solchen allen Dank schuldig bleiben, und diese Sammlung wird alsdenn desto vollständiger erscheinen.
Dahero behaupte ich nicht, alles gesagt zu haben, was ein Gelehrter und gründlich denkender zu wissen verlangen könnte. Aber ich schmeichle mir auch, keine wesentliche Züge der Abbildung, die ich zu entwerfen suche, aus der Acht gelassen zu haben; und die genaue Richtigkeit, die ich mir so sehr habe angelegen seyn lassen, giebt mir ein Recht zu hoffen, der Leser wird mir dargegen die hin und wieder eingeschliechene Druckfehler und andere kleine Nachläßigkeiten, darinnen ich mich wider die Regeln der ächten Sprachlehre verstossen habe, gerne verzeihen. Denn solche Schwachheiten kleben den Menschen so lange an, als sie Menschen sind: oder man wird mir hoffentlich nicht das schwere Gesetz auflegen, daß ich schon das erstemal in einer solchen Sprache, welche mit unzähligen Schwierigkeiten verknüpfet ist, alles in erwünschter Vollkommenheit sollte geliefert haben.
Dieses ist also dasjenige, was ich von den Umständen gegenwärtiger Sammlung bekannt zu machen vor gut befunden habe. Uebrigens wird der geneigte Leser meine Arbeit nach schärfe beurtheilen, und mir ferner gewogen bleiben.
Geschrieben
den 16ten des Brachmonats
1761.
Peter Paul Finauer.
* Johann Chapelain ist im XVIIten Jahrhunderte Historiographus bei dem Herzoge von Longueville, und Mitglied der französischen Akademie gewesen. Er war ein grosser Feind des Frauenzimmers, und schrieb den Verständigsten unter ihnen nur eine halbe Vernunft zu.