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Propädeutische Logik und Hodegetik des akademischen Studiums und Lebens
I. Logik
Einleitung (3)
1. Vom Denken im Allgemeinen (18)
2. Vom Begreifen und Urtheilen (36)
3. Vom Erklären und Eintheilen (71)
4. Vom Schließen und Beweisen (92)
5. Von der Wissenschaft (180)
II. Hodegetik
Einleitung (197)
1. Von der Universität überhaupt (202)
2. Von dem Universitätsstudium (220)
3. Vom Universitätsleben (262)
http://books.google.com/books?id=-9oUAAAAQAAJ&pg=PR9
https://archive.org/stream/propdeutischelo00gockgoog#page/n18/mode/2
http://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb11000742_0...
http://hdl.handle.net/2027/nyp.33433081631529?urlappend=%3Bseq=17
Badische Biographien 1 (1875), S. 314-316
http://digital.blb-karlsruhe.de/periodical/pageview/250846
"Der Verfasser einer — wenn auch nur der Form nach neuen Logik hat sich, bei dem großen Reichthum an logischen Lehrbüchern zu rechtfertigen über die Veranlassung der Herausgabe, über den Zweck, den er erreichen will, und über die Art und Weise, wie er ihn zu erreichen versucht hat.
Es bedarf wohl im Allgemeinen keiner Entschuldigung, daß ein Lehrer einer Gelehrtenschule ein Lehrbuch für Gelehrtenschulen schreibt, ob aber gerade dieser Verfasser dazu berufen war, mögen competente Richter — am besten erfahrene, einsichtsvolle Schulmänner entscheiden.
Daß die Logik einen Haupttheil der philosophischen Propädeutik ausmache, daß diese in den Lehrkreis der Gelehrtenschule gehöre, bestreitet wohl Niemand im Ernste. Aber welcher Umfang diesem propädeutisch-philosophischen Unterrichte gebühre, ob namentlich die Logik dort in extenso gelehrt werden solle — darüber herrscht noch Streit unter den Richtern, welchen auszutragen, hier wohl der Ort nicht seyn dürfte. Mit Recht wird in neuerer Zeit die letzte Frage bejaht. Es haben sich auch sehr bedeutende Stimmen dafür vernehmen lassen*), und der neue Schulplan für die Gelehrtenschulen des Großherzogthums Baden hat der Logik eine Hauptstelle in der philosophischen Propädeutik angewiesen**). Zuletzt hängt die Entscheidung von der Art und Weise der Behandlung des Stoffes ab.
Soll die Logik als Kanon der Wissenschaft ihre Dienste thun, so darf sie mit dem Studium derselben weder parallel laufen, noch weniger ihm nachfolgen. Aber sie verfehlt ihres Zweckes häufiger dadurch, daß ihre Lehren entweder nur oberflächlich im Gedächtnisse haften, oder in ihrer abstracten Allgemeinheit keine Wurzel im Leben fassen. So verliert dieser Unterricht allen Werth. Die Lehren der Logik müssen in Fleisch und Blut des Schülers übergehen, sie müssen sein ganzes Wissen durchdringen, und den wissenschaftlichen Geist erzeugen, mit welchem jedes Studium ergriffen werden soll. Daher müssen ihre Regeln gründlich erlernt, und auf besondere Fälle angewendet werden. Hiezu taugt der akroamatische Vortrag nicht; es gehört zu solchen Uebungen nothwendig eine nähere Beziehung zwischen Lehrer und Schüler — und der Ort für diese ist die Gelehrtenschule. Es ist unläugbare Thatsache, daß ein tüchtiger Lehrer nach jedem Lehrbuche zweckmäßig unterrichten kann; aber eben so wahr ist, daß ein zweckmäßiges Lehrbuch dem Lehrer und Schüler die Arbeit bedeutend erleichtert. Wir wollen uns nicht verhehlen, die Schüler der obersten Klassen unserer Gelehrtenschulen haben die Geistesreife noch nicht erlangt, daß es ihnen leicht würde, dem Vortrage des Lehrers nach einem Compendium, wie es für akademische Vorlesungen sich eignet, stetig zu folgen. Aus diesem Grunde haben die meisten Lehrbücher für „akademische Vorlesungen und Gymnasialvorträge" ihres Zweckes verfehlt. Auch die bessern Schüler müssen einen Leitfaden haben, dessen Wortlaut ihnen wenigstens schon an sich verständlich ist, und die Zeit, welche auf solche Erklärungen verwendet werden muß, ist gewiß verlorene Zeit. Wo ist aber die Anstalt, in welcher nicht eine große Anzahl — oft die Mehrzahl — der Schüler sich über das Lernen noch nicht erheben kann! Diesen ist mit einem kurzen tabellarischen Compendium so wenig gedient, als mit den ausführlichsten, scharfsinnigsten Untersuchungen über logische Subtilitäten. Ich bin weit entfernt, die s. g. populären Logiken empfehlen zu wollen; sie sind meist eine der Wissenschaft und ihrer Jünger unwürdige Verwässerung einzelner unzusammenhängender Sätze, die jeder halbverständige Jüngling ohne Unterricht kennt oder lernt. Soll die Logik Wissenschaft bleiben — und was ist sie, wenn sie dieses Prädicat verschmäht? — so muß sie in ihrem ganzen Umfange und Zusammenhange vollständig vorgetragen werden; aber für Jünglinge, denen man bedeutende Uebung im abstracten Denken noch nicht zumuthen darf — eben weil sie die Logik erst dazu vorbereiten soll — muß eine Form gewählt werden, die ihnen den Zutritt erleichtert, dadurch, daß sie sich ihrer Fassungskraft accomodirt, ohne jedoch die wissenschaftliche Gestalt zu verwischen.
Nach diesen Grundsätzen ist gegenwärtiges Lehrbuch der „propädeutischen" Logik bearbeitet. Es ist aus einer vieljährigen Lehrpraxis hervorgegangen. Ob diese Grundsätze richtig seien, ob meine Erfahrung mich nicht getäuscht habe, ob vorliegender Versuch seinem Endzwecke entspreche, mögen Andere entscheiden, am liebsten diejenigen Lehrer, welche dem Büchlein die Ehre erweisen, es ihrem Unterrichte zu Grunde zu legen. Es wird nicht an abweichenden Urtheilen fehlen.— Im Gebiete der Pädagogik muß man sich ja oft da, wo man Grundsätze sucht, mit Ansichten begnügen. Dem Einen habe ich wohl Zuviel, dem Andern Zuwenig, noch Andern Vieles anders, als sie wünschten, gegeben. Ich hätte diese Arbeit vielleicht auch „theoretisch-praktische Logik" nennen können — wenn ich ein Freund solcher Benennung à deux maius wäre. — Möchten mir recht viele Belehrungen zukommen! Gerne vernehme ich sogar jeden Tadel, wenn er gerecht ist, und der Sache gilt.
Sollten einzelne Zugaben, wie z.B. die Geschichte der Logik, welche füglich auch am Schlusse vorgetragen werden kann, oder die Citate aus Aristoteles, u. A. — als überflüssig, dem Zwecke nicht entsprechend erscheinen, so können sie beim Unterrichte selbst leicht übergangen werden, ohne daß der Zusammenhang gestört wird.
Zu Anführung der Stellen aus Aristoteles wurde ich theils durch Trendelenburg's treffliche „excerpta ex Organo Aristoteles" veranlaßt, theils durch den Wunsch bestimmt, meinen Schülern einzelne Aussprüche des Vaters der Logik — dessen Schriften doch wohl nie das Loos zu Theil wird, auf Schulen gelesen zu werden — in ihrer eigentlichen Gestalt mitzutheilen, damit sie wenigstens etwas mehr, als blos den Namen des großen Lehrers erfahren. Ueber die Anzahl dieser Citate und die Richtigkeit der Auswahl kann wohl auch, unbeschadet der Frage über ihre Zweckmäßigkeit, gestritten werden. Mögen die Herren Philologen sens. str. an dieser Verwendung des Autors kein Aergerniß nehmen!
Die Anordnung des Ganzen, die Vertheilung des Stoffes, die Behandlung einzelner Lehren sollen sich selbst vertreten. Die Uebersichtstabellen am Schlusse der Hauptabschnitte hielt ich für zweckmäßig zum Behufe der Einsicht in den Zusammenhang der einzelnen Lehren, und zur Wiederholung derselben. Beispiele „zur Uebung und Prüfung" scheinen mir für den beabsichtigten Gebrauch des Lehrbuchs nicht fehlen zu dürfen. Sie erleichtern dem Lehrer die Mühe und machen den Schüler fest im Wissen, und gewandt in Anwendung der Regeln auf bestimmte Fälle; sie sollen jedoch nur zur Auffindung eigener Beispiele anregen, und nicht stehende Artikel seyn, die alljährlich behandelt werden, wie die Paragraphen des Lehrbuchs.
Auf Originalität macht das Büchlein keinen Anspruch; wo ich mich veranlaßt fand von der üblichen Darstellungsweise abzuweichen, haben mich Gründe geleitet, welche hier anzuführen, zu weitläufig wäre.
Mit dem Anhange, der Hodegetik, wollte ich meinen nähern Collegen einen kleinen Dienst erweisen. Die Wissenschaft ist in den neuen Lehrplan für Gelehrtenschulen meines Vaterlandes aufgenommen. Ihre Darstellung in dieser Gestalt schließt sich leicht an den letzten Abschnitt der Logik an, wenn sie auch — was doch zweckmäßig wäre — nicht in der Zeit nach ihr vorgetragen wird. Unter den vorhandenen Lehrbüchern ist mir keines bekannt, welches nach meiner Ansicht seinem Zwecke vollkommen entspräche. Die gewählte Form sollte die Mitte halten zwischen bloßer encyklopädischer Uebersicht und trockener Methodologie. Die Literatur der einzelnen Doctrinen ist absichtlich weggelassen, weil sie doch nicht vollständig gegeben werden kann, und alle Wissenschaften, die nicht zu einem Fachstudium gehören, sind ausgeschlossen, weil ihre Erläuterung hier unfruchtbar wäre. Die Citate sind, wie auch in der Logik, blos Fingerzeige für den Lehrer, der nach der gegenwärtigen Einrichtung der teutschen Gelehrtenschulen, oft mit einer schweren Last anderer Unterrichtsgegenstände und Lehrstunden manchfaltiger Art beladen ist. Exempla sunt odiosa!
Den Studienplanen sind meistens die vorhandenen positiven Bestimmungen, die im Großherzogthume Baden gelten, zu Grunde gelegt, theils weil der Verfasser zunächst die Bedürfnisse seines Particular-Vaterlandes im Auge hat, theils, weil sie sich durch sich selbst empfehlen. Den Freunden, welche mich da, wo meine Kraft nicht ausreichte, mit ihrer Kenntniß und Erfahrung freundlich unterstützten, sage ich — wenn auch „Namen sie nicht nennen" — hiemit öffentlich meinen herzlichen Dank.
Recht sehr bedauere ich, die zweite Ausgabe des vortrefflichen Lehrbuchs von Scheidler erst erhalten zu haben, als der erste Theil der Hodegetik bereits gedruckt war. Ich scheue mich nicht zu erklären, daß ich diesem geistreichen Manne manche Belehrung und manche Anregung verdanke. Wird es ja doch einem Universitätslehrer bei weitem leichter, das Wesen des akademischen Lebens und Studiums zu schildern, als einem Lehrer einer Gelehrtenschule, der die Universität seit 22 Jahren nur von ferne betrachten konnte.
Druckfehler entstellen jedes Buch, keines so sehr wie ein Schulbuch. Leider hat auch dieses keinen Mangel daran. Jüngere Freunde mögen sie corrigiren, ältere werden sie entschuldigen, wenn sie die geheime Geschichte der Druckfehler kennen.
Somit gehe das Büchlein, und suche sich freundliche Aufnahme!
Der Wissenschaft neue Bahnen zu öffnen, ist nur bevorrechteten Geistern verliehen, geistreiche Köpfe sind berufen, ihr Gebiet zu erweitern; aber auch nicht unverdienstlich mag der Versuch seyn, dem jüngeren Geschlechte die Bahn zu ebnen und den Zugang zu erleichtern.
Ist es dem Verfasser gelungen, auch nur einen kleinen Beitrag hiezu geliefert zu haben, so begnügt er sich mit der Anerkennung seines redlichen Bestrebens, und freut sich auch der geringen Ernte, die feine Aussaat bringen mag.
Karlsruhe, den 29. August 1839.
*) Fries, System der Logik p. VllI. „Ich halte diesen Unterricht nicht nur für die Universität, sondern auch vorzüglich nach unsern Schuleinrichtungen für die höchste Klasse der Gymnasien geeignet, weil, da der Lehrer noch mehr Gewalt über den Schüler hat, dagegen auf den Universitäten Fleiß oder Unfleiß ganz der Wahl der Schüler überlassen bleibt."
**) Die „Verordnung über die Gelehrtenschulen im Großherzogthum Baden, nebst dem Lehrplan für dieselben (Karlsruhe 1837)" hat allgemeine Anerkennung gefunden. Auch Herr Dir. Dr. Ellendt rühmt in Brzoska's Centralbibliothek, Febr. 1838, im Allgemeinen ihre Zweckmäßigkeit. Wenn er aber von der unverhältnißmäßigen Stundenzahl für philosophische Propädeutik — wöchentlich drei Stunden — spricht, so geben wir ihm wohl mit größerm Rechte sein "(sic!)" für seine eine Stunde zu diesem Zwecke zurück. —